Stellung des Ethikrats zu Suizid - Verantwortung, Prävention und Freiverantwortlichkeit

Am 22. September 2022 stellte der Deutsche Ethikrat in der Bundespressekonferenz in Berlin seine Stellungnahme „Suizid – Verantwortung, Prävention und Freiverantwortlichkeit“ vor. Damit verfolgt der Rat drei zentrale Anliegen: ein angemessenes Bewusstsein für die Vielschichtigkeit von Suizidalität schaffen, die Voraussetzungen freiverantwortlicher Suizidentscheidungen präzisieren und die unterschiedlich gelagerten Verantwortungen verschiedener Akteurinnen und Akteure im Kontext von Suizidentscheidungen und -prävention aufzeigen.

Der stellvertretende Sprecher der Arbeitsgruppe, KHSB-Prof. Andreas Lob-Hüdepohl betont „Will man betroffenen Menschen inmitten einer psychosozial verdichteten suizidalen Lebenssituation wirklich eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen – und das muss der Anspruch sein –, dann stehen auf verschiedenen Ebenen viele Akteurinnen und Akteure in großer Verantwortung“.

Auf der Ebene professioneller und alltagsweltlicher Einzelpersonen liegt die Letztverantwortung bei der suizidalen Person. Allerdings tragen auch An- und Zugehörige sowie Fachkräfte Verantwortung dafür, Perspektiven auf alternative Handlungs- und Entscheidungsoptionen zu eröffnen und somit freiverantwortliche Entscheidungen zu ermöglichen. Die Verantwortung von Einrichtungen sieht der Ethikrat vor allem darin, ihre Angebote konsequent an den Zielen der Suizidprävention zu orientieren und Lebensbindungen zu stärken. Sollte sich allerdings der Suizidwunsch einer Person zu einem festen, freiverantwortlichen Willen verdichten, kann Suizidassistenz angeboten werden. Einrichtungen sollten ihr Leitbild um Überlegungen zur Sterbekultur weiterentwickeln. So machen sie transparent, ob und gegebenenfalls wie in ihrem Haus mit Suizidassistenz umgegangen wird. Gesamtgesellschaftliche und staatliche Institutionen stehen demgegenüber vor allem in der Verantwortung, eine umfassende Suizidprävention zu ermöglichen – über die gesamte Lebensspanne, in allen relevanten Lebensbereichen, zeitnah und flächendeckend. Nur wenn alle beteiligten Akteurinnen und Akteure sich vernetzen, kann es gelingen, Personen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen und den anspruchsvollen Anforderungen an freiverantwortliche Entscheidungen Rechnung zu tragen.

Der vollständige Wortlaut der Stellungnahme „Suizid – Verantwortung, Prävention und Freiverantwortlichkeit“

 

Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl · Mitglied des Deutschen Ethikrates und stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe

© Deutscher Ethikrat/Jens Jeske