Katholisch sein – was heißt das eigentlich? Der Träger unserer Hochschule ist das Erzbistum Berlin – wir sind eine konfessionelle Hochschule, die den christlichen Werten der Nächstenliebe, der Achtung der Menschenwürde eines jeden Individuums und des Respekts vor den anderen verpflichtet ist. Hier zu lernen, zu lehren und zu arbeiten bedeutet nicht unbedingt, den Glauben persönlich zu teilen, sondern vielmehr, seine Bedeutung zu kennen. Annette Edenhofer erklärt in dieser Rubrik assoziativ-erhellend katholische Traditionen und Positionen. In dieser Folge erkundet sie den Fest- und Gedenkzyklus zu Beginn des Jahres.
Ein gutes neues Jahr! Ende Januar ein später Wunsch. Katholisch, bis zur Liturgiereform im Jahr 1969, ist sogar noch Weihnachtszeit bis zum 2. Februar mit Lichtmess, dem letzten Fest im Zyklus. Voll feiern, die ganze Geschichte! In dieser Welt aber sind Freudenfeste auch Trauerfeiern? Voll feiern, fähig zu Freude und Trauer, nicht depressiv am Vulkan!
An Dreikönig (Mt 2,1–6) am 6. Januar wird die Freude über den Anfang einer neuen Machtkultur gefeiert. Die Könige suchen den neugeborenen König bei Hof, bei Herodes. Sie finden ihn im Anti-Palast. Der Geburtsort am Rand verheißt: Niemand wird marginalisiert bleiben! Der Legende nach aber rottet Herodes alle Neugeborenen als potenziell ungebetene Thronfolger aus. Bis heute terrorisieren, traumatisieren und töten Gewaltherrscher. Besonders betroffen sind Kinder. Die Trauer darüber wird mitgefeiert an Dreikönig und hat sogar einen eigenen Festtag am 28. Dezember, dem „Fest der unschuldigen Kinder“ (Mt 2,13–23).
Lichtmess am 2. Februar „Die Darstellung Jesu Tempel“ feiert das Kind als zukünftigen Heilsbringer! Das Freudenlied des weisen Simeon, das Nunc dimmittis: „Nun haben meine Augen das Heil gesehen“ (Lk 2,29–32), besingt Vorfreude und Schmerz: Zivilcourage bringt’s! So wird es das Freudenfest der Gerechtigkeit! Yes! Jesus eckt dafür an. Maria gehen sieben Schwerter durchs Herz. Die religiösen und politischen Eliten bringt diese Feier um ihre Vormacht und so auf Gegenkurs. Das Projekt der Mitmenschlichkeit kostet! Es braucht Übung.
Deshalb ist das Nunc dimmittis das Abendgebet der Kirche. Weihnachten ist jedes Jahr die festliche Übung, das große Fest der Machtransformation endlich zu schaffen. Vorfreude gibt Kraft. Gelungenes gibt Kraft. Klage und Vergebung geben Kraft. Denn die katholische Tradition ist ja selbst auch dunkel. Die Aufarbeitung von Machtmissbrauch an Seelen und Körpern ist im Gange und tut doch noch not. Eine spezielle Perversion: christlicher Antisemitismus!
Erst noch auszurufen als christlicher Trauertag wäre der Gedenktag der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar. 1945 wird an diesem Tag die zehnjährige Eva Kor als „Mengele-Zwilling“ gerettet. Als nichtreligiöse Jüdin vergibt sie den Nazi: Gewalttäter seien ohne Macht. Menschlich unsouverän müssten sie sich unmenschlicher Grausamkeiten bedienen. Mit dieser Erkenntnis hätten die grauenhaften Bilder in ihr die Macht verloren. Eva Kor gründet das Programm Candles: Jugendliche sollen Licht werden, gewaltfrei kämpfen lernen. Der Verzicht auf Rache, nicht auf Streitbarkeit, soll sie stark machen.
Dieser 27. Januar liegt in der alten Weihnachtszeit. Zu Lichtmess mit den traditionellen Kerzenprozessionen wird dem jüdischen Heilsbringer entgegengegangen: selbst Licht werden. Mit Selbstkritik und Hoffnung selbst heiler werden. Im Namen des verletzlichen Kindes – in uns allen – auf Achtlosigkeit und Gewalt verzichten. Im Konflikt Grenzen rechtzeitig setzen und versuchen, in Beziehung zu bleiben! Sich freuen, wenn’s klappt. So würde schon mehr Licht ins Dunkel kommen – privat und politisch!