Veröffentlichung der Dissertation | Herzlichen Glückwunsch
Wir freuen uns sehr, die Veröffentlichung der Dissertation von Dr. Maik Eimertenbrink, Mitarbeiter im Projekt ApaLe, bekannt zu geben. Seine Arbeit trägt maßgeblich dazu bei die Forschung im Bereich der Wohnungslosigkeit zu erweitern.
"Mir war es wichtig, Menschen ohne festen Wohnsitz aus ihrer Opferposition herauszuholen. Ich habe viele Jahre die Obdachlosen-Uni Berlin geleitet. Habe ich davon erzählt, haben mir meine Gesprächspartner*innen auf die Schulter geklopft: „Schön, dass du das machst. Diese armen Menschen, schön dass ihnen jemand hilft.“ Und ich dachte immer, nein, ich helfe nicht diesen armen Menschen. Ich arbeite mit Menschen, die was erlebt haben, die ihre Erlebnisse in Theaterstücke übertragen, die über Philosophie diskutieren, die nicht festhängen in ihren festen, vielleicht als langweilig empfundenen Strukturen." erklärt der frisch promovierte Autor Eimertenbrink.
Die Idee sich in seiner Dissertation mit digitale/n Nomad*innen als moderner Sozialfigur zu beschäftigen, reifte kurz vor Weihnachten 2019 in einer Berliner U-Bahn-Station.
"Ich wartete auf die Bahn, als mir eine Reklametafel eines bekannten Energy-Drink-Herstellers auffiel. „Höchste Eisenbahn fürs Projekt?" stand darauf geschrieben. Dazu ein gezeichnetes Bild von einem Mann, der in der U-Bahn sitzt und vor sich und den seitlich montierten U-Bahn-Sitzen einen provisorischen Arbeitstisch aufgestellt hat. Darauf stapeln sich Papiere, daneben stehen Laptop und Aktentasche. Am U-Bahn-Fenster kleben Blätter mit Notizen. Ein fahrendes Büro, wenn man so möchte.
Das, was der Energy-Drink-Hersteller zeigen wollte, so lässt sich vermuten, ist die moderne, flexible digitale Arbeitswelt, die Arbeitswelt der Digitalen Nomad*innen. Niemals stoppen, immer mobil, dabei vergnügt und sich nicht aus der Ruhe bringen lassend." In seiner Dissertation betrachtet Eimertenbrink jene Digitalen Nomad*innen, ebenfalls ohne festen Wohnsitz, ebenfalls multilokal und ortsunabhängig, und stellt nach und nach Querverbindungen her.
Abstract
Wer ein umherschweifendes, vagabundierendes, nomadisches Leben dauerhaft oder vorübergehend führt, hat dafür einen Anlass und fasst einen Entschluss. Das ist die Ausgangsthese dieser Dissertation, die damit ihren Untersuchungsgegenstand von vorneherein in der Weise spezifiziert, dass sie Fälle nicht sesshaften Lebens ausschließt, für die primär äußere Zwänge verantwortlich scheinen. Diese Konkretisierung hat insbesondere Konsequenzen für die Auswahl der interviewten Personen.
Auf der methodischen Grundlage der (reflexiven) Grounded Theory wird schrittweise ein Modell erarbeitet, welches empirisch gesättigte Aufschlüsse darüber gibt, was einen Aufbruch in ein nomadisches Leben auslösen kann, weshalb es beibehalten, unterbrochen oder gänzlich abgebrochen wird. Es schälen sich dabei Muster heraus, die generalisierende Aussagen über Erwartungen, Erfahrungen und Bewertungen erlauben bei gleichzeitigem Bewusstsein, dass jede einzelne Person ihre eigene (Lebens-)Geschichte hat.
Erwartet wird, durch das nicht sesshafte Leben einer als – persönliche, familiäre, berufliche – Krise erlebten Situation zu entkommen. Die Erfahrungen zeigen, dass nach dem Ausbruch aus einem vielleicht als zu monoton, zu eng, zu „erwachsen“ empfundenen Leben nicht selten neue Krisen bis hin zu Katastrophen folgen. Die Bewertungen sind im Nachhinein meist dennoch positiv. Auch wenn so manche Katastrophe bewältigt werden muss, bleiben Ausbruch und Aufbruch zu verlockend, um nicht doch (wieder) aufbrechen zu wollen. Teilweise kommt es zu einer Art Suchtverhalten, immer wieder neu aus- und aufzubrechen, stets in der Hoffnung auf eine (erneute oder endlich doch erreichte) Verbesserung. Krisen und Katastrophen werden immer weniger als etwas Bedrohliches empfunden, dem es aus dem Weg zu gehen gilt, da das, was danach folgt, einfach zu spannend ist, um nicht entdeckt zu werden.
Lieber Maik Eimertenbrink, herzlichen Glückwunsch zu diesem bedeutenden Meilenstein!
Allen interessierten Leser*innen wünschen wir viele neue Erkenntnisse. Falls Sie Lust haben eine Rezension zu schreiben, melden Sie sich bitte bei Maik Eimertenbrink.
Eimertenbrink, Maik (2025): Von obdachlosen Berber*innen bis zur digitalen Bohème. Erfahrungen, Erwartungen und Bewertungen nomadischer Lebensweisen. Erschienen im Büchner-Verlag, Marburg
https://www.buechner-verlag.de/buch/von-obdachlosen-berberinnen-bis-zur-digitalen-boheme/

Foto: privat