Sperrzone, Gefängnis, Zeitzeugen: die Spuren der sowjetischen Militäradministration

Sperrzone, Gefängnis, Zeitzeugen: die Spuren der sowjetischen Militäradministration

Einblicke in die bewegte Geschichte des Hochschulgebäudes im Schatten der sowjetischen Militäradministration: In der Sperrzone Karlshorst, während der Nutzung als Gefängnis. Tauchen Sie ein in die Erinnerungen von Ursula Rumin, einer Zeitzeugin, die ihre Erlebnisse teilt.

Sperrzone Karlshorst während der sowjetischen Militäradministration

Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) bildete nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht nach dem Zweiten Weltkrieg die oberste Besatzungsbehörde und somit Militärregierung in der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland. Sie wurde in Folge eines Befehls des Obersten Befehlshabers der sowjetischen Besatzungstruppen im Juni 1945 eingerichtet und bestand „bis zur Übertragung der Verwaltungshoheit an die Regierung der DDR am 10. Oktober 1949“ (Schneider 2024: 22). Die SMAD siedelte sich in Berlin-Karlshorst an, wo ein Sperrgebiet errichtet wurde. Bis 1946 wurden innerhalb des Sperrgebietes 700 Häuser mit 3500 Wohnungen geräumt; 16.000 Einwohner mussten ihre Häuser verlassen (vgl. Schneider 2024). 
Es wurden ebenfalls als Verwaltungsgebäude das heutige Museum Karlshorst, welches nur wenige Jahre zuvor als Pionierlehranstalt für Offiziere von der Wehrmacht errichtet wurde, eine Volkshochschule und die Gebäude des St. Antonius-Krankenhauses, in denen sich heute die KHSB befindet, in Beschlag genommen (vgl. ebd.). Zunächst waren dort die Abteilungen für Reparationen und Wirtschaft untergebracht. Das Sperrgebiet wurde intensiv überwacht. So waren im Juni 1946 für die Bewachung des Geländes des (ehemaligen) St. Antonius-Krankenhauses in der Köpenicker Allee 39-57 allein 23 Wachmänner zuständig (Schneider 2024: 38).

Im Dezember 1950 zog das MGB, der Vorläufer des KGB, mit seiner Abteilung des Sicherheitsbereichs aus Hohenschönhausen in das Gebäude des ehemaligen St. Antonius-Krankenhauses ein (vgl. Schneider 2024). Es ist bekannt, dass zuvor Bauarbeiten stattfanden. Diese könnten dazu gedient haben, das Einrichten von Gefängniszellen im Keller des Hauses zu ermöglichen (vgl. Erler 2013). Es ist nicht bekannt, wann genau das Gefängnis in Betrieb genommen wurde. Es ist davon auszugehen, dass nach und nach Gefangene aus Gefängnissen in Groß Berlin nach Karlshorst verlegt wurden (vgl. ebd.). Ziel war es, ein “Untersuchungsgefängnis” für Personen einzurichten, die man der Militärspionage verdächtigte (vgl. Schneider 2024; Erler 2013: 50).

Nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953, bei dem rund eine Million Menschen in Ost-Berlin und der DDR gegen schlechte Lebensbedingungen, politische Bevormundung und Repression protestierten, kam es zu zahlreichen Verhaftungen (vgl. Grau et al. 2016). Viele dieser Menschen wurden im Gefängniskeller des ehemaligen Krankenhauses in Karlshorst inhaftiert. Im Dezember 1953 waren dort 97 Gefangene untergebracht, darunter 17 Frauen. „Im Frühjahr 1954 wird über den Abtransport von über 100 politischen Häftlingen aus Karlshorst nach Sibirien berichtet“ (Schneider 2024: 116).

Die Anlage war stark gesichert, umgeben von mehreren Reihen Holz- und Drahtzäunen mit Alarmdraht und rund um die Uhr von sowjetischen Wachposten bewacht. Während die allgemeine Sicherung des Komplexes den Sicherheitstruppen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) oblag, wurden sämtliche Einrichtungen des KGB direkt von sowjetischem Sicherheitspersonal kontrolliert. 

Deutsche Mitarbeiter waren nicht dauerhaft im Hauptgebäude tätig, sondern wurden lediglich für einzelne Renovierungs- oder Reparaturmaßnahmen hinzugezogen. Das Gebäude war vollständig auf die Bedürfnisse einer eigenständigen Nachrichtendienststruktur ausgelegt und umfasste alle funktionalen Einheiten, die für eine operative KGB-Zentrale notwendig waren (vgl. CIA 2010: 7).

Zeitzeugin Ursula Rumin

Ein bedrückendes Kapitel der Geschichte des Gebäudes ist die Nutzung als Gefängnis- und Verhörzentrum für politische Gefangene. Eine Zeitzeugin dieser Epoche ist Ursula Rumin. Im Jahr 1952 wurde sie im Alter von 29 Jahren verhaftet, nachdem sie eigenständig zur Jugendkriminalität in der DDR recherchiert hatte, ein Thema, das als unerwünscht galt. Im Zuge eines politischen Schauprozesses wurde sie als „Spionin, Hetzerin und Verräterin“ zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Ihre Haftzeit begann im Keller des Gebäudes in Karlshorst, bevor sie 1953 gemeinsam mit 29 weiteren Frauen in ein sibirisches Straflager nach Workuta deportiert wurde. Auf diplomatische Initiative der Bundesregierung hin, wurde sie 1954 wieder nach West-Berlin entlassen. Erst am 3. Januar 2001 erfolgte ihre vollständige, jedoch entschädigungslose Rehabilitierung durch die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation (vgl. Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen o.J.). 

In ihrem Buch „Im Frauen-GULag am Eismeer“ beschreibt Ursula Rumin eindrücklich die Haftbedingungen im Karlshorster Gefängniskeller: Der Boden war mit schmutzigen grauen Läufern bedeckt, entlang langer Gänge befanden sich zahlreiche schwere Eisentüren mit Nummerierungen (vgl. Rumin 2012). Ihre Zelle hatte kein Fenster, verfügte lediglich über eine nackte Pritsche, eine Glühbirne und einen Blecheimer, der zugleich als Toilette, Waschgelegenheit und Trinkwasserspeicher diente. Die Verständigung mit anderen Inhaftierten erfolgte heimlich über das Klopfalphabet. „Man gibt das ABC in Klopfzeichen durch. Für A wird einmal geklopft, für Z 26 Mal, so wie die Buchstaben in der Reihenfolge des Alphabets stehen“ (ebd.: 33). Die Verpflegung bestand aus Tee zum Frühstück mit einem nassen Stück Brot, einer dünnen Suppe zum Mittag und einem gelblichen, dicken Brei am Abend. Nächtliche Verhöre raubten den Gefangenen gezielt den Schlaf und bei kleinsten Verstößen drohte die Verlegung in den Karzer. 

Rumin beschreibt in ihrem Buch zum einen den sogenannten Wasserkarzer. „Soviel ich erkennen kann, befinde ich mich in einem leeren Raum, einem Verlies, darin nichts als ein eiserner, rostiger Ring hoch an der Wand“ (ebd.: 53). 

Bis auf die Unterwäsche entkleidet, musste sie sich an diesem Ring festklammern, während eiskaltes Wasser rasch anstieg. Sobald das Wasser sie fast überwältigte, wurde das Licht eingeschaltet, um zu prüfen, ob sie noch lebte. Dann sank der Pegel wieder, nur um kurz darauf erneut zu steigen (vgl. ebd.). 

Zum anderen beschreibt sie den Eiskarzer, einen kahlen Raum im dritten Stock, der weder Fensterscheiben noch eine Heizung besaß und mit nicht mehr als einem Eisengestell sowie einem dünnen Strohsack ausgestattet war. In dünner Kleidung und ohne Toilette mussten die Gefangenen dort oft mehrere Tage verbringen. Die eisige Kälte, verbunden mit Hunger und völliger Erschöpfung, hinterließ schwere körperliche Spuren. „Ich bin inzwischen total unterernährt, habe geschwollene Beine, einen aufgeblähten Bauch und ein bleiches, eingefallenes Gesicht“ (ebd.: 65).

Eine weitere, perfide Form der Einschüchterung und Folter, die sie im Buch erinnert, war der sogenannte „Zirkus“. In einem hell erleuchteten Raum wurde sie von einer russischen Aufseherin komplett entkleidet. Männer lachen. „Als ich nackt bin, packt mich die Russin und schiebt mich vor die Holzwand ins Rampenlicht. Ich weiß nicht, wohin ich blicken soll, ich schäme mich entsetzlich. (…) Einer der Offiziere ist inzwischen an einen kleinen Tisch getreten, der am anderen Ende der Zelle steht. 

Er nimmt einige spitze Messer in die Hand, Messer, wie sie Cowboys im Zirkus fürs Scheibenwerfen benutzen. Mit Entsetzen sehe ich ein Messer nach dem anderen auf mich zufliegen Mit klatschendem Geräusch bohren sie sich neben meinem Körper in die Holzwand. Ich spüre den leichten Luftzug an meiner Haut. (…) Die Knie versagen mir, ich stoße einen Schrei aus, mir wird schwarz vor Augen, und ich breche zusammen“ (ebd.: 55).
„Der Zeitabschnitt, in dem das St.-Antonius-Krankenhaus als Haftort für deutsche Zivilisten diente, endete wahrscheinlich 1955“ (Erler 2005: 92). Bis 1963, dem Ende des Sperrgebietes in Karlshorst, blieb das ehemalige St. Antonius-Krankenhaus Sitz der sowjetischen Geheimpolizei (KGB). Erst mit ihrem Umzug in die ehemalige „Festungspionierschule“ in der Zwieseler Straße endete dieses Kapitel der Nutzung des ehemaligen Krankenhausgebäudes (vgl. Schneider 2024).

Quellen

CIA (2010): Sanitized Copy Approved for Release 2010/06/30 : CIA-RDP80T00246A048100290001-6

Erler, Peter (2005): Zur Geschichte und Topographie der „GPU-Keller“. Arrestlokale und Untersuchungsgefängnisse sowjetischer Geheimdienste in Berlin (1945 bis 1949/50), in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat, Ausgabe 17/2005, S. 79-94

Erler, Peter (2013): Vom MGB zum MfS/SfS: Die Übernahme sowjetischer Haftorte und die Entwicklung des Gefängniswesens der DDR-Staatssicherheit in der ersten Hälfte der 1950er Jahre in Ostberlin. Eine chronologische Übersicht. In: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat, Heft 33, S.36-56 

Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen (o.J.): DDR-Zeitzeuge, abrufbar , zuletzt besucht am: 23.11.2025

Grau, Andreas, Ruth Rosenberger und Johanna Volkwein (2016): 17. Juni 1953 - Volksaufstand, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, abrufbar , zuletzt besucht am: 23.11.2025

Rumin, Ursula (2012): Im Frauen-GULag am Eismeer, München: Herbig Verlagsbuchhandlung

Schneider, Wolfgang (2024): Das Sperrgebiet, Karlshorst 1945-1994. Karlshorster Beiträge zur Geschichte und Kultur, Heft 16, Berlin: Kulturring in Berlin e.V., Geschichtsfreunde Karlshorst

Ansprechperson

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Franziska Wächter

Prof. Dr. Franziska Wächter

Professur für Methoden empirischer Sozialforschung
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