Bau und Gründung des St. Antonius-Krankenhaus
Das St. Antonius-Krankenhaus in Berlin-Karlshorst ist ein bemerkenswerter Ort, an dem sich Architektur, Medizin- und Zeitgeschichte in einzigartiger Weise überschneiden.
Im Jahr 1928 gelang es der Kongregation der Marienschwestern von der Unbefleckten Empfängnis, einem Orden, der seit 1854 karitative Aufgaben übernahm (Schweter 1934), ein Gelände im Osten Berlins, in Karlshorst, zu erwerben. Nach nur zwei Jahren Bauzeit eröffnete 1930 das Krankenhaus und verband die Konzeption moderner Krankenhausarchitektur mit einem menschenfreundlichen, ganzheitlichen Ansatz, der den Patientinnen und Patienten beste Heilungschancen bieten sollte. Heute, fast ein Jahrhundert nach seiner Gründung, beherbergt das Gebäude die Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) und steht damit weiterhin in einer langen Tradition sozialen Engagements und gesellschaftlicher Verantwortung.
Die Finanzierung dieses komplexen Krankenhausbauprojektes wurde ohne staatliche oder städtische Hilfen gestemmt. Maßgeblich treibende Kraft war hierbei, neben dem Mutterhaus der Kongregation der Marienschwestern in Breslau, vor allem deren Kurator Konsistorialrat Dr. jur. Oskar Pollak (vgl. Lazarus 1931; Nitschke 1995; Schweter 1934).
„Es war die letzte große Tat des Kurators Dr. Pollak, den Grund zu dieser hochwichtigen Niederlassung gelegt zu haben. Das Bedürfnis nach einem eigenen größeren modernen Krankenhause hatten
die maßgebenden Kreise in der Kongregation schon lange gefühlt, und so hatte man an verschiedenen Stellen von Groß-Berlin, namentlich in Neukölln versucht, einen derartigen Plan zu verwirklichen, aber immer war es an bedeutenden Hindernissen gescheitert.
Indes griff der kluge Kurator in der Zeit, in der er dem Tod ganz nahe herankommen sah, diesen Gedanken noch einmal auf, und mit aller Energie, die ihm eigen war, suchte er ihn in die Tat umzusetzen. Und Gott segnete seine rastlosen Bemühungen.“ (Schweter 1934: 369)
Mit Hilfe von Darlehen in Form von Auslandsanleihen durch die Marienschwestern in Breslau wurden die Baumaßnahmen vorfinanziert. Allein die Kosten des Gebäudebaues ohne Innenausstattung und Grundstücke belief sich schon auf 2.500.000 RM (vgl. Steer 2018). Kurator Oskar Pollak starb kurz vor dem ersten Spatenstich des Baus im Jahr 1928. Als Architekten für den Neubau empfahl Kurator Pollak seinen Bruder, Felix Angelo Pollak.
Felix A. Pollak, als Sohn jüdischer Eltern 1882 in Baden bei Wien geboren, erhielt seine Ausbildung, die er 1911 abschloss, an den Technischen Hochschulen in Wien und Graz (vgl. Prokop 2016).
Nach Ende des Ersten Weltkrieges war er als freier Architekt mit dem Bau mehrerer Villen und Wohnhochhäuser in Wien befasst. „Ende der Zwanzigerjahre konvertierte er zum Katholizismus und engagierte sich in verschiedenen karitativen christlichen Vereinen“ (ebd.: 17). Die engen Beziehungen zum katholischen Orden vom Herzen Jesu brachte ihm den Spitznamen „Herz-Jesu-Polak“ ein. In den 1930er Jahren entwarf er in Arbeitsgemeinschaft einen der ersten progressiven Hochhausbauten in Wien. Bereits kurz danach verstarb er 1936 an den Folgen eines Schlaganfalles (vgl. ebd.).
In enger Zusammenarbeit und Absprache mit Prof. Dr. Paul Lazarus, ab 1907 Chefarzt am St. Marien-Krankenhaus (ebenfalls ein Krankenhaus der Marienkongregation) und ab 1930 Leiter des neu errichteten St. Antonius-Krankenhauses, entwarf F. A. Pollak das Gebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit, wobei er Elemente des Bauhaus-Stils integrierte.
Lazarus prägte die sozialmedizinische Ausrichtung des neu zu errichtenden Krankenhauses von Beginn an; bedeutsam war ein ganzheitlicher Blick auf den Menschen und damit die physischen und psychischen Faktoren des Gesundwerdens (vgl. Lazarus 1931; Steer 2018). Nachfahren von Paul Lazarus schildern in Erinnerungen die sonntäglichen Zusammentreffen der beiden Männer, die den Neubau in allen Einzelheiten besprachen.
Die Planungsskizze des St. Antonius-Krankenhauses zeigt den Grundriss mit den asymmetrisch gestalteten blockförmigen Gebäudetrakten. Paul Lazarus beschrieb sie stets als geöffnete Arme, die vom zentral liegenden Aufnahmetrakt ausgingen (vgl. Kelbert 2007). Im Hintergrund, umgeben von Bäumen, liegt der außergewöhnliche Freiluft-Hörsaal, den Lazarus eigens für den Unterricht der Krankenschwestern entworfen hatte.
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Ab den 1920er Jahren entwickelten sich Krankenhausneubauten weiter. Weg vom „Pavillonstil“, hin zu „Korridor- bzw. Blocksystemen“, die die sich herausbildenden unterschiedlichen medizinischen Einzeldisziplinen berücksichtigten (vgl. Verlohren 2019).
„In die Entwürfe neuer Anlagen flossen immer mehr die Naturheilfaktoren Licht, Luft und Sonne ein. Speziell für Tuberkulose-Fachkliniken wurden deswegen Gebäude mit terrassiertem Grundriss entwickelt“ (ebd.: 67). So auch das St. Antonius-Krankenhaus in Karlshorst.
Der langgestreckte, mehrfach abgewinkelte Bau mit drei bis vier Geschossen wurde asymmetrisch in einen mit Kiefern bepflanzten Garten eingebettet, um eine heilsame Atmosphäre zu schaffen.
Dazu wurden außerdem alle Patientenzimmer nach Süden oder Osten ausgerichtet, und die flachen Dächer dienten als überdachte Liegehallen (vgl. Danz 2015; Steer 2018; Verlohren 2019).
Am Bau und der Ausstattung des St. Antonius-Krankenhauses waren namhafte Firmen beteiligt, so bspw. die Deutschen Werkstätten (Dresden Hellerau) und (als Bauleitung) Carl Tuchscherer (Breslau, später Berlin), der die für das Bauwesen bedeutsamem freitragenden Dachkonstruktionen („System Tuchscherer“) entwickelt hatte (Buchmann, 2015: o.A).
Wie sich diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse mit dem sozialhygienischen Ansatz und caritativem Gedanken und Anspruch verbanden und welche Auswirkungen dies für die Ausgestaltung des gesamten Krankenhausgeländes in seiner hochmodernen Anlage hatte, können Sie auf der Unterseite zu
Am 1. Oktober 1928 wurde mit dem Bau des St. Antonius-Krankenhaues begonnen. Am 16. Dezember 1928 (dritter Adventssonntag des Jahres) erfolgte die Grundsteinlegung durch Weihbischof Dr. J. Deitmer. „Nach einer Ansprache des hochwürdigsten Herrn Weihbischofs wurde die Urkunde in den Grundstein der Kapelle eingemauert, und die Hammerschläge seiner Bischöflichen Gnaden hallten weit hinüber zur Großstadt, begleitet von den Worten ‚Zu Gottes Ehren und der leidenden Menschheit ein Segen‘“ (Märkische Volkszeitung, 17. Dezember 1928). Nach einer enorm kurzen Bauzeit von nur anderthalb Jahren war der Bau fertiggestellt und wurde am 10. Juni 1930 durch Bischof Christian Schreiber eingeweiht. Am 16. Juni 1930 kamen die ersten Patientinnen und Patienten in das Krankenhaus (vgl. Lazarus 1931).
Für das Krankenhaus wurde St. Antonius von Padua (um 1195 – 1231) als Schutzpatron gewählt, da dies der letzte Wunsch des im August 1928 verstorbenen Kurators Pollak war. Oskar Pollak hatte am Grabe des Heiligen sein erstes Messopfer gefeiert (Märkische Volkszeitung, 17. Dezember 1928). Eine St. Antonius-Statue, die man noch heute bewundern kann, zierte schon zur Eröffnung am 10. Juni 1930 das Gebäude (vgl. Lazarus 1931). „Er ist der Schutzpatron des Haues. Nach ihm ist es benannt und in seinem Geiste, – durch kein Zeitereignis getrübt, - wollen die Schwestern dem Wohle der Leidenden ihr Leben weihen. Aus diesem Gedanken heraus ist auch die Antoniusfigur als Stützpfeiler des ganzen Hauses zu verstehen“ (ebd.: 6). Vielfach wird der Heilige auch heute noch als Patron der „Armen, der Liebenden und der Ehe, der Frauen und Kinder, der Bäcker, Bergleute, Schweinehirten und Reisenden, der Pferde und Esel, gegen Unfruchtbarkeit, teuflische Mächte, Fieber, Pest und Viehkrankheiten, bei Schiffbruch und in Kriegsnöten, für Wiederauffinden verlorener Gegenstände, gute Entbindung und eine gute Ernte“ – und der Sozialarbeitenden - benannt (Lukassek 2020). „Seine besondere Größe und Botschaft an unsere Zeit besteht in der engagierten Verbindung von Seelsorge und sozialem Postulat“ (Weigmann 1985: 13).
Quellen
Buchmann, F.-U. (2015): Carl Tuchscherer: 1911-1934 an innovative German timber construction company, in: 5th International Congress on Construction History, (ohne Seitenangabe)
Danz, D. (2015): Herzpunkt der Anlage. Der Krankenhauskirchenbau der Weimarer Republik. Göttingen: Wallstein
Kelbert, I.-B. (2007): Paul Lazarus (1873 – 1957). Pionier der Strahlentherapie. Leben und Werk. Diss. Med. RWTH Aachen
Lazarus, P. (1931): Das St. Antonius-Krankenhaus Berlin-Karlshorst, errichtet von den Marienschwestern. Grundsätze der modernen Krankenhausbehandlung, Berlin: Meisenbach Riffarth
Lukassek, A. (2020):
Märkische Volkszeitung, 17. Dezember 1928: Grundsteinlegung für das St.-Antonius-Krankenhaus
Nitschke, R. (1995): das St. Antonius-Hospital der Marienschwestern, in: Bezirksamt Lichtenberg von Berlin (Hg.): 100 Jahre Karlshorst. Geschichte einer Villen- und Landhaussiedlung, Berlin: be.bra verlag, S. 71-77
Prokop, U. (2016): Zum jüdischen Erbe in der Wiener Architektur: Der Beitrag jüdischer ArchitektInnen am Wiener Baugeschehen 1868–1938. Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag
Schweter, J. (1934): Geschichte der Kongregation der Marienschwestern aus dem Mutterhaus Breslau 1854-1934, Breslau: Frankes Verlag und Druckerei/Otto Borgmeyer
Steer, C. (2018): Karlshorst. Nobler Vorort und Schauplatz von Geschichte, Berlin: be.bra Verlag, S. 92-97
Verlohren, U. (2019): Krankenhäuser un Groß-Berlin. Die Entwicklung der Berliner Krankenhauslandschaft zwischen 1920 und 1939, Berlin: be:bra Verlag
Weigmann, B. (1985): Die Entwicklung des St. Antonius-Krankenhauses von 1930 bis 1983. Berlin: Humboldt-Univ., med. Diss.
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