Das St. Antonius-Krankenhaus unter der Nationalsozialistischen Diktatur und während des Zweiten Weltkrieges und Prälat Ulitzka

Das St. Antonius-Krankenhaus unter der Nationalsozialistischen Diktatur und während des Zweiten Weltkrieges und Prälat Ulitzka

Im Jahr 1933 war das Sankt Antonius-Krankenhaus gerade dabei, sich zu etablieren. Es schien durch die gemeinsame Arbeit der geachteten Marienschwestern, des in Berlin, Deutschland und auch international sehr renommierten Chefarztes Paul Lazarus und dank seiner modernen Architektur auf dem besten Wege, ein etablierter Teil der Berliner Krankenhauslandschaft zu werden (vgl. Verlohren 2019).

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten veränderten sich die Rahmenbedingungen abrupt. Die erste Person, die unter den neuen antisemitischen Verordnungen der Nationalsozialisten leiden musste, war der jüdisch stämmige Chefarzt und Mitgründer des Krankenhauses. 

Ihm wurde, wie schon erwähnt 1933 die Lehrbefugnis entzogen, womit es ihm auch untersagt wurde, die Marienschwestern bei ihrer Aus- und Weiterbildung zu unterstützen. Er fiel als sogenannter “Nichtarier” unter das Gesetz zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, welches am 7. April 1933 erlassen wurde. Kurz darauf, 1936, wurde Lazarus auch sein Posten als Chefarzt entzogen (vgl. Schagen 2013).

Im März 1936 wurden weitere Ärzte des St. Antonius-Krankenhauses von der Gestapo (Geheime Staatspolizei) verhaftet. „Beiden Ärzten legte man die fahrlässige Tötung junger Mütter und vor allem männlicher Säuglinge zu Last. (…) Nach der Verhaftung der Ärzte wurde die geburtshilfliche Abteilung vorübergehend geschlossen“ (Mertens 2000: 418). „Im Polizeipräsidium Berlin bestand bei der Mordkommission während des ganzen Verfahrens direkt eine Abteilung „St. Antonius-Krankenhaus, mit der wir telefonisch und mündliche verhandelten“ (Dok.- Nr. 1). Im Mai 1936 konnte die Geburtsklinik wieder eröffnet werden, die Anklage wurde fallen gelassen, jedoch wurde beiden beschuldigten Ärzten die weitere Beschäftigung im St. Antonius-Krankenhaus untersagt (Mertens 2000: 418).

Trotz der zunehmend schwierigen Bedingungen, hielten die Ordensschwestern den Krankenhausbetrieb über die gesamte Zeitspanne des Krieges aufrecht.  Aus späteren Dokumenten ist bekannt, dass die Patientenaufnahmen in den 1930er und Anfang der 1940er Jahre sich auf zwischen vier- und fünftausend Personen pro Jahr belief (Dok.-Nr. 2). Die von Paul Lazarus etablierte Krankenpflegeschule wurde kontinuierlich weitergeführt. „In der Zeit von 1945 bis 1974 wurden 337 Schülerinnen ausgebildet. Einige von ihnen traten später dem Orden bei“ (Ropers 2010: 112).

Aus einem der Briefe der Marienschwestern an Paul Lazarus, dem sie auch nach seinem erzwungenen Exil verbunden blieben, sind einige Ereignisse aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges bekannt. „Durch englischen Fliegerangriff hatte unser Haus auch einigen Schaden, der aber schon behoben ist. Es waren 200 Fensterscheiben zersprungen. Unsere Kapelle und ein Arztzimmer hatten Brandbomben bekommen. Zwei weitere sind in den starken Betondecken der Dachgärten steckengeblieben und abgebrannt, eine ist ins Wasserwerk (Pumpwerk) eingeschlagen.“ (Dok.-Nr. 2) 
Auch Hoffnungsvolles wissen die Schwestern dem ehemaligen Chefarzt ihres Hauses zu berichten: 
„Am 21. März fand die Einweihung unserer neuen Orgel in der Kapelle statt. Sie paßt sich nicht nur schön in den Baustil unserer Kapelle ein, sondern wie uns von sachverständiger Seite schon wiederholt versichert wurde, sie soll auch klanglich ein kleines Kunstwerk sein, das uns jetzt die Gottesdienste verschönt.“ (Dok.-Nr. 2) Und auch die Fachlichkeit und der Einfluss von Lazarus klingen nach. Er hatte die notwendige Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus(arzt) und Hausarzt etabliert (vgl. Lazarus 1931). 
„Sonst ist alles beim alten geblieben, insbesondere auch die Methode, dem Hausarzt jedes Kranken nach Abschluß der Behandlung einen Bericht zu senden, die jetzt von meist allen Krankenhäusern übernommen worden ist, eine Anregung, die Ihnen zu danken ist.“ (Dok.-Nr. 2)

„Beim Kampf um Berlin im April 1945 war das Haus mit Verwundeten überfüllt. Die zunehmende Arbeit musste von der Hälfte des medizinischen Personals bewältigt werden, da zahlreiche Ärzte angesichts der Kämpfe das Krankenhaus verließen. Seit dem 15. April 1945 gab es nur noch zwei Stunden am Tag elektrischen Strom“ (Mertens 2000: 418).

Am 23. April 1945 ergab sich Karlshorst gegen 14 Uhr kampflos, als die russische Armee, die zu diesem Zeitpunkt bereits Frohnau, Köpenick und Pankow weitgehend erobert hatte (vgl. Knauft 1994). Bereits am darauffolgenden Tag, am 24. April 1945, „besichtigte eine sowjetische Abordnung auch das St. Antonius-Krankenhaus“ (Mertens 2000: 419). Anfang Mai 1945 wurde den Schwestern mitgeteilt, dass sie das Krankenhaus innerhalb der nächsten Tage mit allen Patienten zu verlassen hätten. „Die Schwestern verließen ihre Klinik am 7. und 8. Mai 1945. Die gesamte Krankenhauseinrichtung mussten sie zurücklassen“ (ebd.). 

Die Schwestern berichten Paul Lazarus im Mai 1946 von diesen Geschehnissen: „Nach all den Aufregungen und überstandenen Todesängsten in den Kellerräumen unseres Krankenhauses mitten unter unseren Kranken mußten wir schließlich am 4. Mai 1945 noch das „Fiat“ zu dem schwersten Opfer sprechen, nämlich unser geliebtes St. Antonius-Krankenhaus zu verlassen. Es wurde komplett mit allen Einrichtungen und Beständen von der russ. Besatzungsmacht beschlagnahmt und dient jetzt nach völliger Plünderung als Verwaltungsgebäude und Kasino. Das schöne Bild des hl. Antonius, eine Copie von Murillo aus dem Vorraum der Kapelle ist fort, unsere Orgel ist abmontiert worden. In der Kapelle sollen Filme gezeigt werden. Von Frevlerhand sind der Madonna an der Grotte beide Hände abgeschlagen worden. Wir bekommen auch keinen Zutritt zu dem Hause, das in weitem Umkreise als sog. Sperrgebiet abgesperrt ist.“ (Dok.-Nr. 1)

Auch Dr. Josef Misgeld nimmt 1950 Kontakt zu Paul Lazarus in die Schweiz auf. Misgeld hatte ab Oktober 1936 in Nachfolge von Lazarus die Innere Abteilung des St. Antonius-Krankenhauses geleitet (vgl. Mertens 2000). 

„Als ich im Herbst 45 nach Berlin zurückkam, war das Antonius-Krankenhaus, für das man meine Mitarbeit erbat, bereits in russischen Händen. Es wird zurzeit zum Teil als Absteigehotel, zum Teil als Varieté benutzt und mehrere Zeugen haben bestätigt, dass die Kapelle als Kinosaal verwandt wird. Sie werden von den Schwestern sicher gehört haben, dass im Übrigen das Haus völlig ausgeraubt und ausgeplündert wurde. Die Röntgengeräte standen bis in den Winter hinein auf dem Güterbahnhof Lichtenberg in einem Schuppen und die Bücher der schönen Aerztebibliothek sind im Garten des Hauses verfault und verkommen.“ (Dok.-Nr. 3)

„Als Ersatz für das geräumte St. Antonius-Krankenhaus erhielten die Schwestern das Gebäude des früheren Vergnügungslokals in Berlin-Hirschgarten“ (Mertens 2000: 420). 

Die Zustände dort waren desolat und notdürftig, und unter großen Anstrengungen versuchten die Marienschwestern, die Kranken zu versorgen (vgl. ebd.).

„Wir wurden, mit dem Notdürftigsten versehen, mit ca. 125 Schwerkranken auf Lastautos in ein Gartenetablissement in Berlin-Köpenick, Hirschgartenstraße 1, eingewiesen, das aber total verwahrlost war und als Daueraufenthalt vom Gesundheitsamt beanstandet wurde.“ (Dok.-Nr.1)

Den Schwestern wurde wohl zunächst von sowjetischer Seite mitgeteilt, dass sie in das Karlshorster St. Antonius-Krankenhaus zurückkehren könnten. Als dies nicht geschah, sahen sich die Schwestern nach anderen Objekten um, die als Krankenhaus taugen konnten. „Ende August 1945 siedelten die Schwestern mit den Patienten von der Hirschgartenstraße in das Hotel ‚Bellevue‘ über“ (…) und „Am 1. September 1945 wurde im Hotel Bellevue das St. Antonius-Krankenhaus eröffnet“ (Mertens 2000: 421f.). „Als Ersatz für das geräumte St. Antonius-Krankenhaus erhielten die Schwestern das Gebäude des früheren Vergnügungslokals in Berlin-Hirschgarten“ (Mertens 2000: 420). Die Zustände dort waren desolat und notdürftig, und unter großen Anstrengungen versuchten die Marienschwestern, die Kranken zu versorgen (vgl. ebd.). „Wir wurden, mit dem Notdürftigsten versehen, mit ca. 125 Schwerkranken auf Lastautos in ein Gartenetablissement in Berlin-Köpenick, Hirschgartenstraße 1, eingewiesen, das aber total verwahrlost war und als Daueraufenthalt vom Gesundheitsamt beanstandet wurde.“ (Dok.-Nr.1)

 

Prälat Carl Ulitzka – ein „Politiker im Priester“ (Hitze 2002: 1308)

Mit dem St. Antonius-Krankenhaus ist seit dem Jahr 1939 auch der Name Carl Ulitzka (1873-1953) eng verbunden. Carl Ulitzka (auch Karl) war ein römisch-katholischer Priester aus Oberschlesien und einer der bedeutendsten Zentrumspolitiker der Weimarer Republik. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Ulitzka zum führenden Kopf der katholischen Volkspartei (Zentrumspartei) in Oberschlesien und vertrat die Region als Abgeordneter von 1920 bis 1933 im Deutschen Reichstag (vgl. Hitze 2002; Steer 2018).  Ulitzka war ein scharfer Kritiker des Nationalsozialismus und trat gegen Antisemitismus ein. So ist beispielsweise ein aus dem Jahr 1930 übermittelt, das sich an die deutsche Bevölkerung richtet, sich dem von den Nationalsozialisten propagierten Antisemitismus und der Hetze gegen Juden entgegenzutreten.

Mitunterzeichner waren Politiker, Pfarrer und Professoren, darunter Thomas Mann und der Reichsinnenminister Carl Severing. Carl Ulitzka war während der Zeit des Nationalsozialismus mehrfach Ziel von Übergriffen und Verfolgung. „Am Dienstag, den 9. Mai [1939] hatte Ulitzka für 19 Uhr eine Maiandacht in polnischer Sprache angesetzt. Als die ersten Gläubigen die Kirche betreten wollten, wurden sie daran von einem Kordon grölender SA-Männer gehindert. (…) Beim Einzug kam es dann zu schweren Handgreiflichkeiten (…) Doch selbst von diesem exzessiven Ausbruch primitiver Gewalt ließ sich Ulitzka nicht einschüchtern. Er ordnete auch für die folgenden Tage Maiandachten in polnischer Sprache an (…)“ (Hitze 2002: 1177). 

Im Juli 1939 wurde Ulitzka wegen seines Eintretens für den Gebrauch der polnischen Sprache aus Schlesien ausgewiesen. Er musste sich in die Verbannung begeben (vgl. Hitze). „In dieser Situation erinnerte sich Ulitzka seiner nach dem Theologiestudium niemals abgerissenen Kontakte zum Mutterhaus der Marienschwestern in Breslau. Nun war ihm zwar der Weg in die schlesische Metropole versperrt, aber die Marienschwestern waren als karitativer Orden auch in Berlin vertreten. Hier unterhielten sie das St. Antonius-Krankenhaus. (…) Zufällig war Ende des Jahres 1939 sie Stelle des Hausgeistlichen vakant, so dass sich Carl Ulitzka auf diesen Posten bewerben konnte“ (Hitze 2002: 1189).

 

Carl Ulitzka übernahm die Seelsorge im St. Antonius-Krankenhaus für die Patient*innen, zelebrierte „die Heilige Messe in der hauseigenen Kapelle“ (…) und übernahm „die besondere pastorale Betreuung der Ordensschwestern bzw. die theologische Ausbildung der Krankenpflegeschülerinnen“ (Hitze 2002: 1189). Der Prälat, so heißt es, genoß „die stille Abgeschiedenheit und die landschaftlichen Reize des damaligen Berliner Vorortes Karlshorst (…) sowie, gemeinsam mit seinem Hund ‚Frigga‘, die das Haus umgebenden Parkanlagen“ (ebd.). „Politische Aktivitäten gingen von Carl Ulitzka in seinem Karlshorster Exil nicht mehr aus“ (Hitze 2002: 1192). 

Am 28. Oktober 1944 wurde Carl Ulitzka von der Gestapo in Berlin-Karlshorst, im St. Antonius-Krankenhaus, verhaftet, weil ihm eine Mitwisserschaft am gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler unterstellt wurde (vgl. Hitze 2002). „(…) zur gleichen Zeit, als Ulitzka diesen Satz [ „Mich haben sie wohl vergessen!“] sprach, hielt eine schwarze Limousine vor dem Portal des Krankenhauses, der zwei Herren im Ledermantel entstiegen. Nach dem Vorzeigen der Dienstplakette, die beide als Gestapobeamte auswies, verschafften sich die Männer Zugang zu Ulitzkas Dienstwohnung, die sie einer gründlichen Durchsuchung unterzogen. Als der Krankenhausgeistliche von seinem Rundgang zurückkehrte, erklärten die Beamten einen überraschten Ulitzka für verhaftet und nahmen den 71jährigen unverzüglich mit“ (Hitze 2000: 1203f.).

Er wurde zunächst inhaftiert und am 21. November 1944 in das Konzentrationslager Dachau überstellt, wo er bis zu seiner Entlassung am 29. März 1945 inhaftiert blieb. Nach der Befreiung kehrte er zunächst kurz nach Oberschlesien zurück, musste aber aufgrund von Morddrohungen die Region schnell wieder verlassen und ließ sich erneut in Berlin nieder. Ulitzka kehrte zurück zu den Marien-Schwestern ins St. Antonius-Krankenhaus. Wegen der kriegsbedingten Räumung der Krankenhausgebäude durch die sowjetische Besatzungsmacht musste das St. Antonius-Hospital später nach Berlin-Friedrichshagen (Hotel „Bellevue“) umziehen, wo Ulitzka seine seelsorgerische Tätigkeit fortsetzte.

Carl Ulitzka spielte bei der Gründung der CDU 1945 in Berlin eine unterstützende Rolle. Nachdem er wie viele aus dem christlichen Widerstand gegen das NS-Regime der Zentrumspartei angehörte, beteiligte er sich in Berlin an den ersten Initiativen zum Aufbau der CDU als neue christlich-demokratische Partei. Ulitzka starb am 12. Oktober 1953 in Berlin-Friedrichshagen und wurde auf dem Friedhof in Berlin-Karlshorst beigesetzt.

Quellen

Dok.-Nr. 1: Brief St. Antonius-Krankenhaus an Prof. Lazarus, Berlin, 29. Mai 1946

Dok.-Nr. 2: Brief St. Antonius-Krankenhaus an Prof. Lazarus, Berlin, 31. Mai 1943

Dok.-Nr. 3: Brief Dr. J. Misgeld an Prof. Lazarus, Berlin, 15. Februar 1950

Hitze, G. (2002): Carl Ulitzka (1873-1953) oder Oberschlesien zwischen den Weltkriegen, Düsseldorf: Droste Verlag

Knauft, W. (1994): Gelebter Glaube. Das Ende des Zweiten Weltkrieges im Bistum Berlin. Berlin: Erzbischöfliches Ordinariat

Lazarus, P. (1931): Das St. Antonius-Krankenhaus Berlin-Karlshorst, errichtet von den Marienschwestern. Grundsätze der modernen Krankenhausbehandlung, Berlin: Meisenbach Riffarth

Mertens, J. (2000): Geschichte der Kongregation der Marienschwestern von der Unbefleckten Empfängnis 1945-1999, Band 2, Berlin: Kongregation der Marienschwestern

Ropers, Cornelia (2009): Katholische Krankenpflegeausbildung in der SBZ/DDR und im Transformationsprozess. Studien zur kirchlichen Zeitgeschichte. veröffentlichte Dissertation. Universität Erfurt.

Steer, C. (2018): Karlshorst. Nobler Vorort und Schauplatz von Geschichte, Berlin: be.bra Verlag, S. 92-97

Verlohren,U. (2019): Krankenhäuser in Groß-Berlin. Die Entwicklung der Berliner Krankenhauslandschaft zwischen 1920 und 1939.Schriftenreihe zur Medizin-Geschichte, Bd.25. Berlin: BeBra Wissenschaft

Internetquellen:
(2 Teile) zum Leben und Wirken von Carl Ulitzka; 

letzter Aufruf: 26.11.2025; 
letzter Aufruf: 26.11.2025

Schagen, Udo (2013): – Wissenschaft in Verantwortung. Paul Lazarus.  [Stand: 29.08.2025]

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Franziska Wächter

Prof. Dr. Franziska Wächter

Professur für Methoden empirischer Sozialforschung
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