emPOWERment - Stärkung von Menschen mit Trisomie 18 & 13 und ihren Familien

Kinder mit Trisomie 18 & 13 werden häufig als "lebensunfähig" bezeichnet. Jedoch berichten Eltern, dass das Überleben ihrer Kinder von vielen Faktoren abhängt. Grundlegend ist immer eine gute Zusammenarbeit mit medizinischem Fachpersonal. Wir wollen über dieses wenig bekannte Thema informieren und im besten Fall sogar etwas an der Situation der Menschen mit Trisomie 18 & 13 und ihren Familien verändern.

Projektbeschreibung

Das Ziel des Projektes ist es, im ersten Schritt Erfahrungen, Wünsche und Bedürfnisse von Eltern mit einem Kind mit Trisomie 18 oder 13 zu sammeln. Damit soll die Sichtbarkeit der Lebenssituationen der Familien erhöht und das Wissen dieser Familien geteilt werden. Die Ergebnisse der Studie sollen vorrangig genutzt werden, um sowohl das medizinische Personal als auch die Öffentlichkeit für das Thema Trisomie 18 und 13 zu sensibilisieren. Durch Publikationen für Wissenschaft und Gesellschaft sollen nötige und mögliche Veränderungen für die Zukunft angestoßen werden. Die Erhebung der Daten erfolgt in zwei Schritten: Zunächst über einen Fragebogen in quantitativer Form, dann über Interviews, um ergänzende qualitative Daten zu sammeln. Für die Gewinnung der Teilnehmer*innen steht ein nationales informelles Netzwerk von Familien mit Kindern mit Trisomie 13 und 18 zur Verfügung. 

Die Diagnosen „Trisomie 18“ und „Trisomie 13“ stellen eine besondere Herausforderung für (werdende) Eltern dar. Die Trisomien 18 und 13 sind autosomale Chromosomaberrationen, bei denen die Chromosomen 18 und 13 (oder Teile davon) dreifach vorliegen. Nach der Trisomie 21 ist die Trisomie 18 - gefolgt von der Trisomie 13 - die zweithäufigste Trisomie. Bei Kindern mit einer Trisomie 18 kommen häufig schwere Herzfehler und Atemwegserkrankungen vor, bei Kindern mit einer Trisomie 13 körperliche und organische Fehlbildungen. Zusätzlich können Kinder mit einer Trisomie 18 und 13 eine schwere kognitive Beeinträchtigung entwickeln. Die Beeinträchtigungen treten in unterschiedlicher Kombination und Ausprägung auf, so dass Kinder mit Trisomie 18 und 13 eine sehr heterogene Gruppe bilden. 

Kinder mit Trisomie 18 oder 13 werden häufig als “lebensunfähig” deklariert. Somit wird vielen werdenden Eltern ein Schwangerschaftsabbruch empfohlen, für den sich ein Großteil auch insbesondere dann entscheidet, wenn eine pränatale Diagnose vorliegt. Erfahrungsberichte von betroffenen Familien zeigen allerdings, dass Patient*innen mit einer Trisomie 18 oder 13 relativ hohe Lebenserwartungen haben können (vereinzelt mehr als 30 Jahre), insbesondere bei geleisteter medizinischer Unterstützung. Trotzdem treffen Eltern, die sich für eine Fortsetzung der Schwangerschaft entscheiden, häufig auf Unverständnis bzgl. ihrer Entscheidung von Seiten des medizinischen Fachpersonals und werden weiter dazu animiert, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen.

Auch in der Zeit nach der Geburt erleben Eltern häufig Druck von Seiten des medizinischen Fachpersonals, das Leben ihres Kindes enden zu lassen. Trotz des ausdrücklichen Wunschs der Eltern zu lebensverlängernden Maßnahmen, werden die Patient*innen in der Regel nur palliativ versorgt oder es werden Operationen verweigert, die sowohl für das Überleben als auch für die Lebensqualität des Kindes essentiell sind.

Ein grundsätzliches Ziel des Projektes ist es, mit betroffenen Eltern (als Expert*innen für ihre Kinder und ihre Lebensrealität) weitere Eltern in ähnlichen Kontexten zu erreichen und zu unterstützen bzw. zu stärken. Durch die gewonnenen Erkenntnisse wollen wir nicht nur Wissens-Grundlagen in schriftlicher und mündlicher Form an geeignete Stellen (Beratungseinrichtungen, Arztpraxen, Krankenhäuser etc.) weitergeben sondern auch Vernetzungspfade aufzeigen, um damit Erfahrungen der Selbstwirksamkeit einer oftmals empfundenen Hilflosigkeit nach der Diagnosestellung entgegenzustellen. Aber auch innerhalb der Projektgruppe steht der Empowerment-Ansatz zentral: durch die regelmäßigen (digitalen) Treffen der Forschungsgruppe bestimmen die Eltern maßgeblich das gemeinsame Arbeiten mit und bringen ihre eigenen Erfahrungen und ihr Wissen als Expert*innen in das Projektvorhaben ein. Die Eltern engagieren sich hier einerseits als Vertreter*innen von Familien mit Kindern mit komplexen Behinderungen aber auch als Erfahrungsträger*innen bzgl. des Kontaktes mit medizinischem Fachpersonal.

Team

  • Prof. Dr. Vera Munde
     

  • Elettra Griesi
     

  • Julia Scherpf
Kooperationen

Finanziert wird dieses Projekt in der ersten Projektphase durch die . Für dieses Forschungsvorhaben kooperieren wir zudem mit dem Verein Ziele des Vereins sind die Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Beeinträchtigung. Zusätzlich wird dieses Projekt unterstützt von einer 10er-Gruppe engagierter Eltern von Kindern mit Trisomie 18 oder 13, die sich besonders aktiv in der internationalen Facebookgruppe “Eltern helfen Eltern” für Familien mit Kindern mit Trisomie 18 und 13 einsetzen. Mit ihrem Erfahrungswissen gestalten sie den partizipativen Forschungsprozess zusammen mit dem wissenschaftlichen Projektteam.

„Es ist wichtig, dass die Wissenschaft mehr über die Trisomien 18 und 13 spricht, dass auch das medizinische Fachpersonal lernt, die Bedarfe von Eltern besser zu verstehen, um sie auf dieser Grundlage wertschätzend zu begleiten."
Prof. Dr. Vera Munde
Projektleitung
"Wir brauchen Medizinerinnen und Mediziner, die mit den Familien zusammenarbeiten, die ihnen helfen, informierte und selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen."
Elettra Griesi
Projektkoordinatorin
"Unser Ansatz ist ein partizipativer: Gemeinsam mit einer Gruppe von betroffenen Angehörigen entwickeln wir einen Fragebogen und gestalten auf dieser Basis im nächsten Schritt gemeinsam eine qualitative Befragung."
Julia Scherpf
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Literatur

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